1. Rechtliche Ausgangslage
Am 1. Januar 2012 treten die erhöhten Schwellenwerte von Art. 727 Abs. 1 Ziff. 2 OR in Kraft, welche die eingeschränkte von der ordentlichen Revision der Jahresrechnung abgrenzen (AS 2011 5863 f. Vgl. die Medienmitteilung des Bundesrats vom 31. August 2011). Die einzige materielle Änderung ist die Erhöhung der Schwellenwerte von 10 Millionen Franken Bilanzsumme, 20 Millionen Franken Umsatzerlös und 50 Vollzeitstellen auf 20-40-250. Die Schwellenwerte des Vereinsrechts (im schwach normierten Vereinsrecht besteht keine allgemeine Revisionspflicht. Deshalb erhöhte das Parlament die Schwellenwerte 10-20-50 von Art. 69b Abs. 1 ZGB nicht) und des Konsolidierungsrechts (die Schwellenwerte 10-20-200 des Konsolidierungsrechts werden mit dem zukünftigen Rechnungslegungsrechts auf 20-40-250 erhöht. Deshalb verzichtete das Parlament auf die zeitlich befristete Anpassung von Art. 663e Abs. 2 OR) werden nicht erhöht.
Für Geschäftsjahre, die vor dem Inkrafttreten der erhöhten Schwellenwerte begonnen haben, sind – gemäss expliziter Übergangsbestimmung – die bisherigen Schwellenwerte von 10-20-50 relevant.
Die Referenzgrössen – Bilanzsumme, Umsatzerlös und Vollzeitstellen – bleiben unverändert. Auch der Berechnungsmechanismus wurde nicht geändert: Eine ordentliche Revision der Jahresrechnung ist durchzuführen, wenn zwei der drei Schwellenwerte in zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren überschritten werden.
Damit eine Rechtseinheit auf die eingeschränkte Revision der Jahresrechnung verzichten kann (Opting-out), darf sie weiterhin höchstens über 10 Vollzeitstellen verfügen (Art. 727a Abs. 2 OR). Das Parlament erweiterte mit der Erhöhung der Schwellenwerte den Bereich der eingeschränkten Revision, nicht jedoch denjenigen des Opting-outs.
2. Gegenstand der Praxismitteilung und Annahmen
Diese Praxismitteilung äussert sich nicht darüber, ob insbesondere das oberste Leitungs- oder Verwaltungsorgan einer Rechtseinheit seine Sorgfaltspflichten im Bereich des Opting-outs erfüllt.
Es geht vorliegend nur darum, wie die erhöhten Schwellenwerte handelsregistermässig umgesetzt werden.
In dieser Praxismitteilung wird davon ausgegangen, dass
• eine Rechtseinheit höchstens 10 Vollzeitstellen aufweist und
• die Geschäftsjahre dem jeweiligen Kalenderjahr entsprechen.
Die relevanten Handelsregisterbelege ergeben sich aus dem bisherigen Art. 62 HRegV .
3. Opting-out einer am 1. Januar 2012 oder später gegründeten Rechtseinheit
Es ändert sich im Vergleich zur heutigen Handelsregisterpraxis nichts. Es sind jedoch die erhöhten Schwellenwerte 20/40 (Bilanzsumme/Umsatzerlös) anzuwenden.
4. Opting-out einer vor dem 1. Januar 2012 gegründeten Rechtseinheit
4.1. Schwellenwerte 10/20 werden nicht oder nur teilweise überschritten
Werden im 2012 die Jahresrechnungen 2011 und 2010 als Belege eingereicht, darf das Handelsregisteramt das Opting-out im Handelsregister eintragen, da selbst die bisherigen Schwellenwerte 10/20 nicht oder nur teilweise überschritten wurden.
Dasselbe gilt für den Fall, dass in der ersten Hälfte 2012 die Jahresrechnungen 2010 und 2009 als Belege eingereicht werden und die Schwellenwerte 10/20 nicht oder nur teilweise überschritten wurden. Zum Spezialfall, dass in der Jahresrechnung 2010 die Schwellenwerte 10/20 überschritten wurden, vergleiche nachfolgend die Ziffer 4.2, Absatz 2.
4.2. Schwellenwerte 10/20 werden vollständig überschritten, nicht oder nur teilweise diejenigen von 20/40
Werden im 2012 die Jahresrechnungen 2011 und 2010 als Belege eingereicht und in beiden Geschäftsjahren die Schwellenwerte 10/20 überschritten, nicht oder nur teilweise jedoch die Schwellenwerte 20/40, darf das Handelsregisteramt davon ausgehen, dass die Generalversammlung der Rechtseinheit die Jahresrechnung 2011 dem OR entsprechend genehmigt hat. Die Genehmigung einer nicht ordentlich revidierten Jahresrechnung wäre nichtig (Art. 731 Abs. 3 Satz 1 OR). Das Handelsregisteramt darf das Opting-out eintragen, da es davon ausgehen darf, dass es sich auf die Geschäftsjahre 2012 fortfolgende bezieht.
Werden in der ersten Hälfte 2012 die Jahresrechnungen 2010 und 2009 als Belege beim Handelsregisteramt eingereicht und zumindest im Geschäftsjahr 2010 die Schwellenwerte 10/20 überschritten, nicht oder nur teilweise jedoch die Schwellenwerte 20/40, darf das Handelsregisteramt nicht davon ausgehen, dass die Jahresrechnung 2011 von der Revisionsstelle ordentlich revidiert und vom obersten Organ genehmigt wurde. Das Handelsregisteramt darf das Opting-out nicht im Handelsregister eintragen bzw. die Revisionsstelle nicht aus dem Handelsregister streichen (e contrario die Übergangsbestimmung zur Erhöhung der Schwellenwerte).
4.3. Schwellenwerte 20/40 werden überschritten
Werden im 2012 die Jahresrechnungen 2011 und 2010 als Belege eingereicht und werden in beiden Geschäftsjahren die Schwellenwerte 20/40 überschritten, darf das Handelsregisteramt das Opting-out nicht im Handelsregister eintragen, da die Rechtseinheit sich im Bereich der ordentlichen Revision befindet.
Dasselbe gilt für den Fall, dass in der ersten Hälfte 2012 die Jahresrechnungen 2010 und 2009 als Belege eingereicht werden.
5. Weitere Ausführungen
Weitere Ausführungen zur handelsregistermässigen Umsetzung des Revisionsrechts sind der Praxismitteilung EHRA 2/09 vom 2. Juli 2009 zu entnehmen.
Praxismitteilung 2/11 – 19. Dezember 2011